In fünf Tagen im Laufschritt über die Alpen:
Drei Ultraläufer bezwingen 190 Kilometer 3000er-Gipfel und fast 11000 Höhenmeter
Gastautor auf Winklworld: Zankl Michael
Allen Absagen von Wettkämpfen
und Laufveranstaltungen und
sämtlichen Widrigkeiten zum
Trotz stellten sich drei
mutige Freunde dem Mythos "Al-
penüberquerung". Allerdings nicht
mit dem Rad und auch nicht im
Wandertempo, sondern sportlich
ambitioniert als Läufer durch die
alpenländischen Trails.
Das Trio Markus Winklmeier
(Schwarzach, 46), Hobby-Extrem-
sportler und mehrfacher Ironman-
Finisher, Martin Scheifl (Falkenfels,
43) und Michael Zankl (Saulburg,
45), zwei ambitionierte Ultra- und
Trailläufer hatte sich das Ziel ge-
setzt, nur mit der Kraft der eigenen
Beine die Alpen zu bezwingen.
TAR-Stammtisch:
Bereits 2018 hatten sich die drei
und einige weitere Trailrunner aus
dem Bekannten- und Freundeskreis
zusammengefunden und bei der ei-
nen oder anderen Laufveranstal-
tung weitere Gleichgesinnte hinzu-
gewonnen. So entstand der TAR-
Stammtisch, bei dem sie sich mal zu
dritt oder in einer größeren Gruppe
erst zum Laufen über schöne Wald-
pfade trafen, um dann anschließend
eine Brotzeit oder auch ein Beloh-
nungsbier (natürlich alkoholfrei) zu
genießen. Sich beim Sport gemein-
sam anstrengen, etwas auf die Beine
stellen und dabei auch die Gaudi
nicht zu kurz kommen lassen das
war ihr Motto.
Die Freude daran, heimische und
auch unbekannte Gegenden laufend
kennenzulernen, schweißte den
TAR-Stammtisch zusammen. Und
so war es nicht verwunderlich, dass
immer wieder neue und herausfor-
dernde Ziele angepeilt wurden. Be-
reits für 2019 war daher der "TAR"
(Transalpine Run) als gemeinsames
Ziel und gleichzeitig Namensge-
ber der Gruppe ins Visier gerückt.
Beim TAR starten rund 300 Zweier-
Teams, die bei acht Tagesetappen
eine Strecke von über 260 Kilome-
tern mit 16000 Höhenmetern zu-
rücklegen.
Und dann kam Corona:
Leider sollte es im vergangenen
Jahr nicht klappen, bei Zankl aus
terminlichen, bei seinen beiden Mit-
streitern kurz vor dem Start aus ge-
sundheitlichen Gründen. Ein neuer
Anlauf wurde dann für dieses Jahr
geplant. Doch dann kam Corona
und hob das normale Leben und
auch den Sport komplett aus den
Angeln. So wurde auch der Transal-
pine Run 2020 abgesagt. Die drei
Sportler aber ließen sich nicht so
leicht von ihrem Traum abbringen
und fassten den Entschluss, die Al-
penüberquerung selbst zu planen
und durchzuführen. Grundlage und
Inspiration der Planung war der be-
kannte Fernwanderweg E5, der im
Mittelstück von Oberstdorf nach
Meran führt. Schnell war im Som-
mer eine Route entworfen, die Un-
terkünfte gebucht.
Hohes Grundtempo
In Sachen Ausrüstung, Kleidung
und Proviant wurde auf alles Über-
flüssige verzichtet, um mit einem
hohen Grundtempo und in einer
sehr knappen Zeitspanne von fünf
Tagen die Strecke von Garmisch-
Partenkirchen ins Schnalstal nach
Südtirol bewältigen zu können. Sie
verzichteten auf Hüttenschlafsack
oder üppige Ersatzwäsche und steu-
erten nicht wie beim klassischen E5
die Hütten und Almübernachtun-
gen an, sondern liefen immer von
Tal zu Tal, wo sie in Pensionen über-
nachteten. Anders als beim E5, bei
dem üblicherweise manche Teilstre-
cken mit Bus, Taxi oder Bahn zu-
rückgelegt werden, war es für
Winklmeier, Scheifl und Zankl das
Ziel, alles zu Fuß zu schaffen, von
Garmisch bis nach Südtirol und
das in fünf Tagen.
Am 2. September legten die drei
also los. Startpunkt war Garmisch-
Partenkirchen, das sie mit dem Pri-
vatauto ansteuerten. Nach kurzer
Kaffeepause ging es dann los auf die
ersten Meter. Fünf Tage streiften sie
durch Almwiesen, über viele Berg-
kämme, vorbei an wilden Gebirgs-
bächen und durch Alpentäler. Sie
liefen vorbei an Gletschern über
Geröllfelder, schritten über Schnee-
felder und meisterten auch die eine
oder andere Gipfelkletterei.
Drei Bergspitzen
Nicht alle der zahlreichen Almen
und Hütten konnten die drei Ms zur
Rast nutzen, doch die Zeit für ein
Radler, Kaffee, Kuchen oder eine
Suppe durfte natürlich nicht fehlen,
um die Energiespeicher aufzufüllen
und den Beinen eine kurze Pause zu
gönnen. Auf ihrem Weg machten sie
Station in Obsteig, Jerzens, Plange-
ross und Vent und legten von Gar-
misch-Partenkirchen nach Kurzras/
Schnalstal (IT) knapp 190 Kilome-
ter zurück und überwanden 10500
Höhenmeter im Aufstieg. Als beson-
dere Schmankerl bestiegen sie drei
Bergspitzen mit über 3000 Metern
über NN (Pollesfernerkopf 3015,
Nördlicher Polleskogel 3035 und
Hintereis 3269 Meter).
Markus, Martin und Michael er-
gänzten sich perfekt und harmo-
nierten vom ersten Meter bis zum
Ziel. Dabei lief nicht alles perfekt,
denn schon am zweiten Tag mach-
ten sich bei Winklmeier und Zankl
Knieschmerzen breit, sodass das
Bergablaufen keine Freude mehr
bereitete. Das Thema aufgeben kam
gedanklich hoch, doch die beiden
zeigten sich hart im Nehmen und
konnten die Etappe 3 gut über die
Bühne bringen. Auf Etappe 4 lief es
dann den Umständen entsprechend
gut und etwas langsamer, die Knie-
probleme verschlechterten sich
nicht und das Tagesziel wurde er-
reicht. Und dann gab es für Etappe
5 kein Halten mehr und die drei ka-
men voller Freude im Schnalstal an.
Freiheit und Natur pur
Lohn der Strapazen sind die un-
zähligen Eindrücke, die sie von ih-
rem Lauf mitnehmen konnten. Frei-
heit und Natur pur. Das ist wahre
Lebendigkeit: mit eigener Kraft
diese lange Wegstrecke zurückle-
gen, Berge bezwingen und so die
Natur und Landschaften natürlich
in sich aufnehmen. Wo kann man
hautnah die Geburt von Lämmern
direkt auf Almweiden miterleben?
Wo kreuzen immer wieder Kühe,
Schafe oder Haflinger Pferde den
Weg? Das war auch ein wesentlicher
Unterschied zum Transalpine Run,
der als Wettkampf ausgetragen
wird: ohne Zeitdruck den Lauf auch
mal kurz unterbrechen, um schöne
Momente genießen zu können. Das
haben die Ms genossen.
Tierische Highlights:
An Tag eins gab es zwei tierische
Highlights: So kamen Lämm-
chen direkt auf der Weide zur Welt
(etwas matt, keine halbe Stunde alt)
und eine Kuh, die sich mit den Hör-
nern in einem Elektrozaun verhed-
dert hatte, musste befreit werden.
Dank der Erfahrung aus Viehhand-
lung und Stallung des Vaters konnte
Michael Zankl ihr helfen. Bei einer
Pause auf der Mauchelealm gabs so-
gar Beifall von einer Gruppe von
Wanderinnen im besten Alter, als
wir die nassen Shirts wechselten
aber mehr gabs nicht zu sehen.
TAR-Wettkampf als Ziel
Nichtsdestotrotz ist das Ziel, als
Team beim TAR-Wettkampf bald an
den Start gehen zu können, nach
wie vor auf der To-do-Liste. Die
Trailrunning-Szene erfreut sich in
den letzten zehn Jahren großer Be-
liebtheit und so finden sich jedes
Jahr neue Ziele. Da ist sicher auch
das eine oder andere für Winklmei-
er, Scheifl und Zankl dabei.
Extremsport?
Die Frage, ob es sich hier um Ex-
tremsport handelt, ist nicht
einfach zu beantworten: ja und
nein. Anders als bei Straßenwett-
kämpfen, bei denen es um Höchst-
geschwindigkeiten mit hohem Puls
geht, liegt beim Trailrunning und
Bergaufmarschieren die Herzfre-
quenz eher im mittleren Bereich
und ist schonender für den Körper.
Auch die abwechslungsreichen, mal
weichen, mal felsigen oder verwur-
zelten Laufwege trainieren Trittsi-
cherheit, Dynamik und Stabilität.
So werden Gelenke, Muskulatur
und Rumpf gekräftigt. Natürlich
verlangt es viel Ausdauer, Kraft und
auch Überwindung des inneren
Schweinehundes, die Anstiege und
Berge hochzulaufen.
Trailrunning das ist Laufen auf
Pfaden und durch malerische Land-
schaften. Manchmal bergauf sprin-
ten oder mühsam hochsteigen, aber
nach den hart erklommenen Höhen-
metern auch einmal die Beine berg-
ab laufen lassen und den flotten
Downhill über Stock und Stein ge-
nießen. Die Vorbereitung durchlie-
fen die drei Ms Markus, Martin,
Michael zum Teil mit gemeinsa-
men Läufen, zum Teil auch allein.
Bei mehr als 15 bis 20 Stunden Trai-
ningspensum in der Spitze der Trai-
ningsphase ist eine Terminabstim-
mung mit Familie, Beruf und auch
noch zu dritt nicht immer ganz ein-
fach.
Auch in Sachen Trainingsplan
und -disziplinen gestalteten sie die
Vorbereitung individuell: von Lau-
fen, Bergauf-Bergab-Läufen, MTB-
Fahren, Schwimmen, auch Yoga und
Kraft- und Stabilitätsübungen gab
es ein breites Spektrum.
Die drei Ms haben den ersten bis
dritten Tag mit kleinen Abwand-
lungen gelaufen. Am vierten Tag
musste die Strecke geändert wer-
den. Ein Murenabgang zwischen
Rettenbachferner und Vent auf dem
Panoramaweg machte einen mühse-
ligen Umweg über Zwieselstein/Bo-
denegg auf der Straße bis nach Vent
(zehn Kilometer) notwendig. Am
fünften Tag musste die Strecke we-
gen einer Gewitterwarnung geän-
dert werden. Die drei Läufer hatten
zwar einen kürzeren Weg, allerdings
haben sie freiwillig noch einen drit-
ten 3000er mitgenommen (nicht
über Martin-Busch-Hütte inklusive
Kreuzspitze, Ötzidenkmal, sondern
über Schöne Aussicht und Hinte-
reis-Gipfel auf direktem Weg nach
Kurzras ins Ziel).
Autor: Michael Zankl